„Die Dani kann gut mit Kindern“, höre ich meine Mama sagen, als ich bei einer großen burgenländischen Hochzeit als Zehnjährige mit Kleinkindern tanze. Wie sehr dieser Satz meinen Lebensweg beeinflusst hat, stelle ich hier besser nicht infrage. Dass ich „nicht nur gut mit Kindern kann“, sondern Respekt und Authentizität in meinen Beziehungen zu Kindern tragende Rollen spielen, merke ich erst, als ich beginne, darüber zu schreiben. Und durch das Schreiben wird mir auch klar, dass ich so viel mehr bin, als eine nette Pädagogin. Ich bin Mutter, Pädagogin, Expertin für die kindliche Entwicklung, Bloggerin, Tänzerin, Geschichtenerzählerin, Mentorin. Und noch vieles mehr. In diesem Artikel erzähle ich dir von meinen wichtigsten Stationen.
1) 1983: Ich werde große Schwester! Als ich mein erstes Geschwisterchen bekomme, bin ich hin und weg und liebe es vom ersten Tag an, meine Mama zu unterstützen. Bis 1986 bekomme ich noch einen Bruder und eine Schwester und werde zur Familienbabysitterin. Mit 16 bin ich routiniert darin, meine kleinen Geschwister zu baden und schlafen zu legen. Das weiß bald auch das ganze Dorf und ich verdiene mir mit diesem Job meine Wochenendausflüge.
2) 1988 – 1992: Als Babysitterin gefragt, als Schülerin versagt. Mein Lateinlehrer nennt mich „Wimmerl“ und der Geschichtelehrer lässt mich gerade mal so durch, obwohl ich mich seiner Meinung nach nicht richtig ausdrücken kann. In Sprachen bin ich schlecht, Naturwissenschaften gehen gerade so. Ich brilliere in nur einem einzigen Fach: Chemie. Ich bin die einzige in meiner Klasse, die chemische Gleichungen lösen kann! Die Schule ist für mich ein einziger Horror, ein notwendiges Übel, von dem ich mich am liebsten frühzeitig verabschiedet hätte. Dennoch, ich halte durch und maturiere erfolgreich im Juni 1992, obwohl meine schriftliche Deutscharbeit für meinen Lehrer „nicht genügend“ war.
3) 1992: Pädagogische Akademie oder Kolleg für Biochemie? Nach dem Abitur stehe ich vor einer schwerwiegenden Entscheidung. Die Chemie hat es mir angetan und ich bewerbe mich am Kolleg für Biochemie in der Rosensteingasse in Wien. Als Plan B. entscheide ich mich für die Pädagogische Akademie in Eisenstadt, denn: Ich will es besser machen als meine Lehrer! Im August weiß ich immer noch nicht, wie ich mich entscheiden soll, denn ich habe an beiden Instituten einen Platz bekommen. Ich entscheide mich letztlich für die Päd. Akademie, weil die Fahrtzeit einfach kürzer ist und beginne die Ausbildung zur Hauptschullehrerin in Mathematik und Biologie, weil das Fach Chemie leider nicht zustande kommt.
4) Jänner 1994: Ich flüchte aus der pädagogischen Akademie. Ich gerate in eine Diskussion mit einer Professorin, die ich in meinem damaligen Alter nur verlieren konnte. Dabei geht es um Sinn und Sinnlosigkeit von Hausaufgaben und um deren Benotungen. Ich weigere mich anzunehmen, dass eine vergessene Hausaufgabe schlecht gewertet werden muss. Die Argumente gehen mir allerdings wegen meiner Erfahrungslosigkeit aus und zurück bleibt Ärger. Statt zur Schule gehe ich nun jeden Morgen in einen Eissaloon und verkaufe Eis.
5) Mai 1994: Ausbildung zur Elementarpädagogin. Ich erfahre von einer Bekannten, dass in Wien dringend Kindergärtnerinnen gesucht werden. Das Magistrat biete seit Kurzem eine berufsbegleitende Ausbildung an, die drei Jahre dauert. Ich bewerbe mich, weil das Eis Verkaufen nicht besonders zukunftsträchtig ist. Zwei Wochen später stehe ich in der ersten Kindergartengruppe im 10. Wiener Gemeindebezirk.
6) 1996: Ich lerne Montessori, Pikler und die Wilds kennen. In meinem zweiten Ausbildungsjahr arbeite ich in einer Krippe in einem kleinen Haus, dessen Leitung mir die Bücher von Emmi Pikler und Rebeca Wild empfiehlt. In den Familiengruppen werden bereits viele Ideen von Maria Montessori umgesetzt. Ich bin sofort begeistert und spüre zum ersten Mal, dass es Möglichkeiten abseits des starren Regelsystems gibt, in dem alle Kinder gleichzeitig hungrig und müde sein müssen. Ich hadere mit den Rahmenbedingungen im städtischen Bereich und frage mich, wie es für mich weitergehen kann. Im Anschluss an meine Ausbildung absolviere ich gleich einen Montessorikurs bei Annebeate Huber und hospitiere in Montessorieinrichtungen. Meine damalige Vision: Ich betreue kleine Kinder in meinem eigenen Haus nach der Dani-Pädagogik.
7) Juli 2000: Ich werde Mama! Die Geburt meines ersten Sohnes verändert mein Leben komplett. Ich stecke meine Bedürfnisse zurück und kümmere mich nur noch darum, dass mein Kind alles hat, was es braucht. Das gelingt leider nicht so ganz, denn es schreit viel und schläft kaum. Ich verspüre eine starke Ambivalenz zwischen Mutterglück, wenn ich mein Baby anschaue und tiefer Verzweiflung bis hin zu Versagensängsten, wenn mein Baby schreit.
8) Oktober 2000 – Ich stolpere in einem Babyforum über Jean Lidloffs Buch „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“: Daraufhin beginne ich, meinen Sohn im Tragetuch zu tragen. Da mich in Wiener Neustadt damit eher außerirdisch fühle, suche ich im Internet nach gleichgesinnten Mamas. Ich finde tatsächlich einige Frauen in meiner Nähe und wir beginnen, uns wöchentlich zu treffen. In dieser „Apfelstrudelrunde“ beschäftige ich mich mit „Attachment Parenting“ und bin der Meinung, dass diese Form der Eltern-Kind-Beziehung die einzig Wahre ist und ich mein Glück gefunden habe.
9) September 2002 – Seminarreihe mit Rebeca und Mauricio Wild. Von meiner Freundin aus der Apfelstrudelrunde erfahre ich, dass die beiden von Ecuador nach Oberpullendorf kommen. In ihren Seminaren erzählen sie von ihrem Schulprojekt, dem „Pesta“. Wie schon in ihren Büchern beschrieben, führen sie eine Schule, wo es keinen Druck und keine Noten gibt. Nein, nicht einmal Unterricht. Stattdessen sprechen sie von Gehirnentwicklung, von der Biologie des Organismus und von einer vorbereiteten Lernumgebung. Sie betonen die Wichtigkeit von Beziehungen und wie wir Lebensprozessen respektvoll begleiten können. Ich bin so begeistert, weil es genau das ist, was ich gerne in der pädagogischen Akademie gelernt hätte. Ich erfahre, dass es in der Nähe von Oberpullendorf eine Elterninitiative gibt, die genau meinem Wunsch für meine Kinder entspricht: Das Storchennest.
10) November 2002 – Geburt meines zweiten Sohnes: Ich liebe das Mama Sein und meine entzückenden Kinder. Und dennoch wird ab jetzt mein Leben als Mama anstrengend. Ich trage das Baby und habe gleichzeitig ein Kleinkind zu betreuen. Ich stecke meine Bedürfnisse zurück, bis das Fass überläuft und ich immer häufiger aus der Haut fahre. Meinen hohen Ansprüchen an mich selbst werde ich immer weniger gerecht. Ich putze den Popo des Älteren, während ich das Baby stille. Ich merke, dass ich etwas ändern muss, habe aber keinen Schimmer, was das sein könnte. Trotz der vielen Auseinandersetzung mit respektvoller Erziehung sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht.
11) 2003 – Start meiner ersten Spielgruppe: Nach der Geburt meines zweiten Sohnes weiß ich, dass ich nicht wieder nach Wien zum Arbeiten fahren werde. Zu weit weg scheinen mir die Anforderungen des städtischen Systems und ich entscheide mich dazu, bei meinen Kindern zu bleiben. Meine Hebamme bietet mir zur selben Zeit die Möglichkeit, in ihrem Mütterstudio eine Spielgruppe anzubieten. Hier gerate ich ziemlich schnell an meine Grenzen. Ich habe zwar Erfahrung mit Kindern, aber kaum bis keine Erfahrung mit der Begleitung von Eltern. Also suche ich nach Lösungen und werde durch eine Freundin auf die Pikler-Hengstenberg-Gesellschaft aufmerksam. Lies hier die ganze Geschichte.
12) September 2004 – Start der Pikler-Ausbildung: Mit dieser Ausbildung starte ich Hals über Kopf in ein persönliches Abenteuer. Ich lerne intensiv über entwicklungspsychologische Vorgänge in den ersten Lebensjahren und wie ich Eltern in dieser Zeit wertschätzend unterstützen kann. Hier erfahre ich, was es heißt, in Beziehung mit Kindern zu sein und merke, dass das Tragetuch für mich deshalb eine Rettung war, weil ich nicht wirklich wusste, was mein Baby brauchte. Der Alltag mit meinen beiden Söhnen wird im Laufe der Zeit organisierter und ruhiger. Ich beginne damit, meinem Mann mehr Familienarbeit zuzutrauen, erlaube den Großeltern, Hilfe zu leisten und nehme mir genügend Exklusivzeit für mich.
13) August 2007 – Geburt meines dritten Sohnes: Die Beschäftigung mit der Pikler-Pädagogik trägt Früchte, denn mit dem dritten Baby wird vieles anders. Ich beschließe, ihn nur noch beim Spazierengehen zu tragen, traue ihm zu, alleine zu spielen und gönne uns beiden viel Beziehungszeit in den Pflegesituationen. Um weiterhin meine Spielgruppe anbieten zu können, gebe ich meinen Jüngsten in die liebevollen Hände einer Babysitterin.
14) September 2011 – Ich beginne, im Storchennest zu arbeiten: Wir übersiedeln von Katzelsdorf nach Kaisersdorf, weil das Storchennest unser Lebensmittelpunkt geworden ist. Meine beiden älteren Söhne besuchen die freie Schule und ich gehe ab jetzt drei Tage die Woche mit meinem jüngsten Sohn in den Kindergarten, um Kindergartenkinder zu betreuen. Meine Spielgruppe halte ich mittlerweile an drei verschiedenen Standorten im Burgenland: in Steinbrunn, in Zagersdorf und im Storchennest.
15) Jänner 2012 – Ich richte meinen eigenen SpielRaum ein: Das Haus, das wir in Kaisersdorf kaufen, hat einen wunderschönen Kellerraum mit Holzdielen, der sich wunderbar für einen SpielRaum eignet. Das Haus bekommt einen Extraeingang in den neu renovierten SpielRaum. Ab jetzt gibt es meine Spielgruppen nur noch bei mir zu Hause und in Steinbrunn/Bezirk Eisenstadt bei der Hebamme Bettina Fillafer. Damit geht meine Vision von damals in Erfüllung!
16) Juni 2015 – Ich werde Pikler®-Pädagogin: Ich schreibe meine Diplomarbeit zur zertifizierten Pikler-Pädagogin zum Thema: „Konflikte begleiten im SpielRaum“. Diese Arbeit zu schreiben kostet mich enorme Überwindung, weil ich immer noch der Meinung bin, ich könne mich nur unzureichend ausdrücken. Die wertvollen Feedbacks meiner Mentorin machen mir Mut und ich fühle mich selbstbewusst und stolz bei meinem abschließenden Gespräch. Ich darf meine Spielgruppe nun Pikler®-SpielRaum nennen und Einführungsveranstaltungen in die Pikler-Pädagogik anbieten.
17) Jänner 2021 – Ich beginne zu bloggen: Ich nutze meine pandemiebedingte Freizeit und werfe mich mutig ins Blogabenteuer und buche einen Jahreskurs – the content society mit Judith Peters. Ich schreibe regelmäßig Blogbeiträge und Kindergeschichten, die ich mit meinem Newsletter versende (hier kannst du dich eintragen!) Ich merke immer mehr, was ich zu bieten habe und werde mir meiner vielfältigen Erfahrungen bewusst.
18) März 2021 – Ich starte mit einem 1:1 Eltern-Coaching Angebot: Auf meiner neu gestalteten Webseite stelle ich erstmals ein Angebot für ein Elterncoaching ein. Mehr und mehr frage ich mich, wie ich dieses Angebot nennen soll und was ich bin. Ich möchte keine Familienbegleiterin sein, keine Beraterin und kein Coach. Das fühlt sich alles falsch an, da ich beraten will und gleichzeitig coachen und natürlich langfristig begleiten.
19) März 2022 – Mein erster Online-Workshop: Der Workshop zum Thema „liebevoll Grenzen setzen“ startet mit 12 Teilnehmerinnen, darunter Mamas und Pädagoginnen. Daraus entsteht ein weiterführende Reflexionsrunde, die monatlich stattfindet: der Sunshine-Circle. Ich merke, dass das genau das Angebot ist, das mich neben der Arbeit mit den Kindern beseelt und glücklich macht. Wenn du also Lust hast, wirklich Hinzuschauen und dich selbst im Umgang mit den dir anvertrauten Kindern zu reflektieren, dann schreib mir gerne!
20) Heute nenne ich mich Expertin für die frühe Kindheit und Mentorin für respektvolle und authentische Beziehungen zu Kindern. Das Wort „Mentorin“ kommt mir immer öfter unter und ich spüre, dass es genau die Bezeichnung ist, nach der ich gesucht habe! Ich bin sehr dankbar über meine Wege und Umwege, die mich hierher gebracht haben. Wer weiß ob ich auch hier gelandet wäre, wenn ich Biochemikerin geworden wäre?
Liebe Daniela,
ganz ehrlich: den Schuh vom „nicht-Schreiben-können“ darfst du dir keinesfalls anziehen! Du schreibst sehr offen, ehrlich und authentisch und da bin ich als Leserin gerne dabei. Die Prise Humor würzt das Ganze zusätzlich und weckt eigene Erinnerungen – so schmunzle ich über uns beide 😉
Deine Ehrlichkeit in Bezug auf die eigene Situation mit Neugeborenem / Geschwister / eigene Bedürfnisse finde ich sehr gut – denn immer noch herrscht so ein Ideal von „immer lächelnder glücklicher Mutter und wonnigem Baby“ – das frustriert, weil der Alltag oftmals ganz anders aussieht. Aber erst, wenn wir als Eltern genauer hin schauen wollen, wir uns ehrlich zeigen, reflektieren…. können sich Dinge positiv verändern.
Deine Aufgabe ist so wichtig und wertvoll –
ich wünsche dir viele Familien, die deine Begleitung suchen und zusammen wundervolle Erfahrungen machen dürfen.
Alles Liebe und herzliche Grüße
Ulrike
P.S.: Meine glücklichsten pädag. Jahre hatte ich als Elternberaterin und SpielRaum-Leitung (orientiert an Pikler)
Vielen Dank für deine Worte, liebe Ulrike!
Liebe Daniela, jeder der den Text liest spürt wie wichtig Dir die Eltern-Kind-Beziehung ist. Du hast einen unglaublichen Erfahrungsschatz und deine Arbeit ist unglaublich wichtig und nachhaltig lebensverändernd für Eltern und Kinder. Mentorin, Coach, Beraterin und Trainerin. Du setzt alles ein. Lg